„Last Christmas“ und „O Tannenbaum“ dudelt es aus den Lautsprechern. Lebkuchen naschen im September ist so selbstverständlich wie die Tulpe im Dezember. Geschenke, Geschenke für Groß und Klein von iErzeugnis, 3D-TV und Wii bis hin zum kleinen Kuvert für besondere Wünsche. Apfel, Nuss und Mandelkern taugen nur noch zur romantisierten Vorstellung der älteren Generation. Das Jahresendgeschäft, verkaufsoffene Sonntage und Überstunden einerseits gehören ebenso dazu wie die Großeinkäufe für Verwandtschaft und Freunde andererseits. Auch wollen die umfangreichen Wunschzettel der Kinder ordnungsgemäß abgearbeitet sein. Einzelhandel, Amazon und QVC jubilieren. Stress und Hektik begleiten allerorten den Weg zur Besinnlichkeit. Die Wohnung gilt es auszuputzen und auch die Außenwirkung durch Lichterkette, Tannengrün und Weihnachtsmann ist nicht zu vergessen. Plätzchen backen, Adventsbasteln, Weihnachtsfeiern von Betrieb, Schule und Verein absolvieren, Konzerte und Theater besuchen und den Weihnachtsmarkt mit Glühwein und Weihnachtsmann abhaken – nichts darf ausgelassen oder verpasst werden. Gepflegt werden muss auch die Tradition. Der Baum will rechtzeitig gekauft und geschmückt sein. Doch nicht zu früh, damit er noch duftet und Nadeln hat, aber auch nicht zu spät, damit er dem Bild des stattlichen Bilderbuch-Weihnachtsbaums noch nahe kommt. Das familien-typische Weihnachtsessen gilt es vorzubereiten. Von Gans bis Kartoffelsalat und Würstchen sind der Phantasie hier keine Grenzen gesetzt, und der Verteiler am Ende garantiert das Wohlbefinden nach dem Schmause. Wenn es passt, wird auch noch ein Gottesdienst mit Krippenspiel eingebaut. Die Kirche platzt zwar aus allen Nähten und die aufgeregte Unruhe der Kinder erlaubt nur die Lippen des Pastors zu lesen, aber Tradition ist Tradition und es ist ja nur einmal im Jahr Weihnachten. Später am Abend, die Bäuche sind voll, die Blicke bier- und weinselig, ist die Geschenkeschlacht geschlagen. Profitieren werden die Papiercontainer – hier gilt es schnell zu sein, sonst findet kein Blättchen mehr ein Plätzchen – und der Einzelhandel. So mancher tauscht in Gedanken seine neue Gabe schon um – der Kassenbeleg lag weitsichtig dem Geschenk bei. Ein letztes Mal ertönt der weihnachtliche Dauerbrenner „I’m dreaming of a white christmas“, ab morgen gehört der Äther wieder Rhianna und Coldplay. Bis September nächsten Jahres wäre es mal wieder geschafft. Ein bisschen anstrengend war es schon, ja. Und die Besinnlichkeit, auf die so hart hingearbeitet wurde, ist mangelnder Zeit, „Kevin allein zu Haus“ und „Harry Potter“ zum Opfer gefallen. Aber nächstes Jahr wird alles besser. Da starten die Vorbereitungen für die besinnliche Zeit früher, da ist nicht plötzlich Weihnachten – schon wieder vorbei. Doch für diese Mal ist es geschafft. Das Lametta kann wieder ab. Das war es.  –  Das war es? Was war es? „Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ (Luk. 2,10)